Scheinselbstständig oder selbstständig  

Wie kann man sich als freier Mitarbeiter wehren?

Eine Stellenanzeige, die beinhaltet, dass ein „freier Mitarbeiter“ gesucht wird führt geradewegs in die Scheinselbstständigkeit. Dieses Problem ist vor allem Versicherungsvertretern, Journalisten und Kurierfahrern bekannt.
Berufstätige in der Film- und Fernseherbranche oder Pflegekräfte wie Honorarärzte kommen mit diesem Begriff ebenfalls in Kontakt. „In allen Bereichen wo freiberuflich gearbeitet wird tritt auch die Scheinselbstständigkeit auf“ erklärt Maximilian Amon von der ARS ARCUS GmbH. Mit der Scheinselbstständigkeit sind die Personen gemeint, die gegenüber dem Staat als selbstständige Unternehmer auftreten.
Die Realität sieht aber anders aus, denn diese Personen arbeiten wie Festangestellte und müssten demnach auch einen Anspruch auf Sozialversicherungsabgaben in Form von einer Kranken-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung haben. Dies ist bei der Scheinselbstständigkeit jedoch nicht der Fall und der Arbeitgeber führt keine Sozialabgaben ab. Grund hierfür ist, dass auf dem Papier des freien Arbeiters „selbstständig“ steht.

Scheinselbstständige müssen sich somit selbst krankenversichern und haben später geringere Rentenansprüche. Es ist offensichtlich, dass diese Option für freie Arbeiter ein schlechter Deal ist. Ergänzend muss auch beachtet werden, dass Ihnen weitere Rechte wie Tariflohn, Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung ebenfalls vorenthalten werden. Die Frage ist ab wann Scheinselbstständigkeit vorliegt. Eine klare Trennlinie gibt es hierzu nicht, jedoch kann ein Indiz sein, dass der Selbstständige nur ein Auftraggeber hat oder genau die gleichen Aufgaben wie ein Angestellter erledigt. Zentral lassen sich zwei Kriterien zur Abgrenzung definieren. Ist der Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter weisungsbefugt und inwieweit ist der Mitarbeiter in der Firma eingebunden?
Offensichtlich ist, dass ein Selbstständiger im Gegensatz zum Scheinselbstständigen frei über die Auftragsbearbeitung entscheiden kann (wann, wie und wo).
Des Weiteren tragen Selbstständige das volle unternehmerische Risiko und setzen neben ihrer Arbeitskraft auch ihr Eigenkapital ein.
Ein abhängiger Beschäftigter kann hingegen nicht über seine Arbeitskraft verfügen und muss straffe Zeitvorgaben von seinem Vorgesetzten einhalten.
Wenn diese Kriterien erfüllt sind, auf dem Papier jedoch Selbständigkeit vorliegt handelt es sich eindeutig um eine Scheinselbstständigkeit.

  • Für Betroffene gibt es folgende Vorgehensweise um die Rechte gegenüber dem Arbeitgeber einzufordern.

Bei der Clearingstelle der Rentenversicherung  können Betroffene prüfen lassen ob ihr Arbeitgeber zur Abführung der Sozialbeiträge verpflichtet ist. Darüber hinaus wird überprüft ob die selbstständige oder abhängige Tätigkeit überwiegt. Bestätigt sich, dass ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt tritt die jeweilige Kasse an den Arbeitgeber heran und zieht die Beiträge rückwirkend ein.
Dies kann für beide Seiten teuer werden. Der Arbeitgeber muss manchmal für mehrere Jahre nachzahlen, wobei die Nachzahlungspflicht des Scheinselbstständigen auf mehrere Monate begrenzt ist. Ab dem Zeitpunkt ab dem die Sozialversicherungspflicht festgestellt wird hat der Scheinselbstständige theoretisch die gleichen Rechte und Pflichten wie ein normaler Arbeitnehmer. In der Praxis ist es jedoch oftmals so, dass dem Berufstätigen nichts anderes übrig bleibt als einen Arbeitsvertrag einzufordern um dieselben Rechte zu bekommen. Falls dieser Antrag jedoch abgelehnt wird bleibt als letzte Möglichkeit nur, sich einzuklagen.
Vor Gericht muss der Scheinselbstständige jedoch beweisen können, dass er Arbeitnehmer und kein Selbstständiger ist, was selten gelingt. Wenn ein Rahmenvertrag über freie Mitarbeit vorliegt ist von einer Klage abzuraten. Denn abgesehen von dem Zeitaufwand der einem entsteht, kann eine Klage schnell Kosten in Höhe von € 3.000 bis € 4.000 verursachen. Darüber hinaus ist eine gewonnene Klage keine Garantie für die komplette Erstattung der Gerichtskosten. Zu beachten ist des Weiteren, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten nur dann übernimmt, wenn eine Privatrechtsschutzpolice für Selbstständige abgeschlossen wurde.
Bis 1999 mussten drei von fünf Kriterien erfüllt sein um als scheinselbstständig eingestuft zu werden. Heute kommt es jedoch mehr auf die Gesamtschau an, wodurch der Richter einen immensen Ermessensspielraum hat.
Ob eine Klage erfolgreich ist kann man demnach nicht vorhersehen.
Der Gang vor das Gericht sollte daher gut überlegt sein und erst dann in Erwägung gezogen werden nachdem alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.